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Shared Space und Begegnungszonen

Shared Space und Begegnungszonen sind in den Niederlanden bzw. in der Schweiz entwickelte Ansätze zur Verkehrsberuhigung und zur gleichberechtigten und konfliktfreien Nutzung eines weitgehend beschilderungs- und regelungsfreien Straßenraumes durch alle Verkehrsteilnehmer.

Es soll geprüft werden, ob die Anwendung dieser neuen Verkehrsmanagementkonzepte auch zu einer Verbesserung der örtlichen Verkehrsverhältnisse in Bremen beitragen kann. Erste konkrete Erfahrungen sollen durch ein Pilotprojekt erworben werden.

Zunächst wurden Grundanforderungen an Shared Space/ Begegnungszonen für Bremen bestimmt. Im Weiteren wurde ein Kriterienkatalog zur Identifizierung geeigneter Bereiche für Shared Space/ Begegnungszonen festgelegt. Diese wurden vom Ingenieurbüro SHP Hannover zusammen mit einem begleitenden Arbeitskreis entwickelt.

Unter Beachtung dieser Anforderungen und Kriterien wurde als Modellprojekt die St. Gotthard-Straße im Ortsteil Osterholz ausgewählt. Der Beirat Osterholz erklärte sich mit dieser Auswahl einverstanden.

Die Deputation für Bau und Verkehr stimmte dem Beschluss des Beirates am 14.04.2011 zu und beschloss, das Modellprojekt in einem offenen Planungsprozess mit dem Beirat und einer intensiven und breiten Bürgerbeteiligung sowie unter Einbeziehung in die städtebauliche Diskussion über die Neugestaltung der ehemaligen Wendeschleife in Osterholz fortzuführen.

Daraufhin fanden von Ende 2011 bis Anfang 2012 öffentliche Veranstaltungen statt, in welchen ein Anforderungskatalog für das Projekt in der St. Gotthard-Straße erarbeitet wurde. Dieser Katalog war die Grundlage für einen städtebaulichen Wettbewerb, welchen die Landschaftsarchitekten Henke + Blatt gewannen. Zusammen mit BPR Verkehrsplanung hat man sich danach in den Gestaltungsprozess begeben.
Seit Anfang 2013 fanden sogenannte Planungswerkstätten statt. Auch das Büro des Landesbehindertenbeauftragten der Freien Hansestadt Bremen war hierin vertreten. In den Planungsrunden wurde der Wettbewerbsentwurf von den Landschaftsarchitekten Henke + Blatt konkretisiert und zum Teil kontrovers diskutiert. Ende 2013 wurde in einer Abschlussveranstaltung das Ergebnis der Bürgerbeteiligung präsentiert.

Im Bericht der Verwaltung für die Sitzung Deputation für Umwelt, Bau und Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft am 16.03.2017 zum Thema "Gemeinsamer Verkehrsraum im Zentrum Osterholz" wurde als aktueller Sachstand festgestellt:
"Auf Grundlage der bisherigen Planunterlagen (Genehmigungsunterlagen) werden die Baukosten gemäß Kostenermittlung rd. 2,50 Mio. € brutto betragen. Aufgrund der angespannten Haushaltslage der Freien Hansestadt Bremen werden alle anstehenden und noch nicht baulich begonnenen Projekte hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit und Dringlichkeit überprüft. Auf der Suche nach Einsparpotenzialen soll das Projekt „Gemeinsamer Verkehrsraum Zentrum Osterholz“ vorerst zurückgestellt werden. Gleichwohl wird die Idee weiter verfolgt, damit sobald eine Finanzierung möglich sein wird, die Planung fortgesetzt werden kann."
"Das Projekt ist derzeit nicht finanzierbar und unter objektiven, haushälterischen Aspekten nicht dringlich umzusetzen und wird daher vorerst zurückgestellt."

Grundanforderungen an Shared Space und Begegnungszonen in Bremen

Städtebauliche Merkmale

Für Shared Space und Begegnungszonen geeignete Bereiche müssen städtebaulich ablesbare Abschnitte von begrenzter Länge sein. Es wird empfohlen, entsprechende Projekte vornehmlich auf zentrale Bereiche, wie
Stadtteil- oder Quartierszentren, zu beschränken. Überwiegend dem Wohnen vorbehaltene Bereiche sollen weiterhin als Verkehrsberuhigte Bereiche (Z 325 StVO) ausgewiesen werden, wenn die baulichen Anforderungen erfüllt sind.
Platzartige Straßenräume eignen sich grundsätzlich besser für Shared Space und Begegnungszonen als lineare, enge Straßenräume, weil sie einerseits den Fußgängern größere Schutzräume und andererseits vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten bieten. In platzartigen Straßenräumen sind in der Regel auch stärkere Verflechtungen und Überlagerungen unterschiedlicher Nutzungen zu erwarten als in linearen Straßenräumen.

Hierarchische Straßennetzstruktur

Shared Space und Begegnungszonen erfordern ein hierarchisches Straßennetz. Damit weiterhin eine optimale Verkehrsabwicklung im bremischen Hauptverkehrsstraßennetz sichergestellt wird, muss die grundsätzlich vorhandene hierarchische Netzstruktur weiter bestehen bleiben. Das sogenannte „schnelle Netz“ mit vorwiegender Verbindungsfunktion eignet sich nicht für Shared Space, da es Kraftfahrern kaum Signale dafür gibt, lediglich Gast zu sein und das dortige Geschwindigkeitsniveau nicht mit Shared Space und Begegnungszonen vereinbar ist.
Anderseits zeigen gerade die ausländischen Beispiele, dass sich insbesondere örtliche Geschäftsstraßen, die teilweise durchaus Hauptverkehrsstraßenfunktion haben, wegen der Zentralität der Straßenräume und der vielfältigen Nutzungsverflechtungen sehr wohl für die Konzepte eignen. Die Länge der Bereiche sollte grundsätzlich 800 m nicht überschreiten, um mögliche nachteilige Beeinträchtigungen der Verkehrsabwicklung auszuschließen und weil erfahrungsgemäß das Geschwindigkeitsverhalten der Kraftfahrer über längere Bereiche nicht dauerhaft niedrig gehalten werden kann.

Kraftfahrzeugverkehrsstärke

Der Kraftfahrzeugverkehr darf im Vergleich zum nicht-motorisierten Verkehr keine dominierende Rolle einnehmen. Im Papier des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. wird eine Höchstgrenze von 14.000 Kfz/24h vorgeschlagen, allerdings nur bei niedrigem Geschwindigkeitsniveau. Bei höheren Geschwindigkeiten wird empfohlen, eine Belastung von 8.000 Kfz/24h nicht zu überschreiten. Die Autoren merken aber auch an, dass in Knotenpunkten vereinzelt höhere Belastungen noch verträglich sein können. Ein Vergleich der bereits umgesetzten in- und ausländischen Projekte zeigt, dass die Verkehrsstärken zwischen 6.000 und 18.000 Kfz/24h liegen.
Es wird empfohlen, eine Verkehrsstärke von 15.000 Kfz/24h bei zweistreifigen Straßen nicht zu überschreiten. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Verkehrsstärke nicht als die entscheidende Größe anzusehen ist, sondern vielmehr eine gute Mischung der Verkehrsarten.

Öffentlicher Personennahverkehr

Die Führung von öffentlichen Verkehrsmitteln durch Straßen und Plätze schließt die Einrichtung von Shared Space und Begegnungszonen in diesen Bereichen nicht aus. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass Straßenbahnen selbst in Fußgängerzonen und auf belebten Bahnhofsvorplätzen weitgehend konfliktfrei fahren können. Allerdings kann die Führung des ÖPNV durch Shared Space und Begegnungszonen eine Verlängerung der Fahrzeit und somit eine Erhöhung der benötigten Fahrzeuge zur Folge haben, da die Fahrzeuge nur mit geringer Geschwindigkeit durch diese Bereiche fahren können. Dies kann weitere Kosten verursachen und stellt zudem einen deutlichen Widerspruch zu dem erklärten Ziel der ÖPNV-Beschleunigung dar. Gegebenenfalls sind Kompensationsmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Die nachteiligen Auswirkungen auf den ÖPNV sowie die Nachteile für die Fahrgäste (z.B. Verlängerung der Fahrzeit) müssen bei der Planung entsprechender Abschnitte sorgfältig geprüft und entsprechend berücksichtigt werden.
Es wird empfohlen, Bereiche für Shared Space und Begegnungszonen, durch welche Straßenbahnen geführt werden, vorwiegend auf Bereiche mit Haltestellen mit einer Ausdehnung von 100 bis 200 m zu begrenzen. Bereiche mit Linienbusverkehr sollen 300 m Länge nicht überschreiten.

Fußgängerverkehr

Damit sich der Kraftfahrzeugverkehr in dem Straßenraum als Gast fühlt und eine geringe Geschwindigkeit plausibel ist, ist ein hoher Fußgängeranteil sowie ein hoher Überquerungsbedarf erforderlich. Bereiche, in denen nur wenige Fußgänger unterwegs sind, eignen sich nicht für Shared Space und Begegnungszonen, weil hier Gewöhnungseffekte (z.B. zu schnelles Fahren) zu einer negativen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit der Fußgänger führen können. Wegen des hohen Aufkommens an Fußgängern sollten die Abschnitte über großzügig bemessene Seitenräume verfügen, die nicht nur dem Gehen, sondern auch dem Aufenthalt dienen.

Radverkehr

Ein deutlich erkennbarer Radverkehrsanteil im Straßenraum ist eine Voraussetzung für Shared Space und Begegnungszonen. Der Radverkehr wird im Mischungsprinzip mit dem Kraftfahrzeugverkehr geführt. Beobachtungen zeigen, dass Radfahrer in diesen Bereichen vermehrt auf der "falschen" Seite fahren. Dies ist bei der Gestaltung der Übergangsbereiche in das "normale" Straßennetz, wo ggf. Radwege oder Radfahrstreifen existieren, zu berücksichtigen. Nach Möglichkeit sollten solche Übergänge in Knotenpunkten erfolgen.

Sichtverhältnisse und ruhender Verkehr

Für das Funktionieren von Shared Space und Begegnungszonen spielt eine rücksichtsvolle Verhaltensweise der Verkehrsteilnehmer die zentrale Rolle. Um diese zu ermöglichen, sind gute Sichtbeziehungen zu gewährleisten. Die weitgehende Verdrängung des ruhenden Verkehrs aus den entsprechenden Bereichen wird zwar nicht immer möglich sein, eine gewisse Einschränkung des Parkens zu Gunsten der Übersichtlichkeit und auch der Aufenthaltsflächen wird aber unausweichlich sein. Bezüglich der Minderung des Parkraumangebotes muss eine Akzeptanz bei den Betroffenen (Anwohnern und Geschäftsleuten) erzielt werden, da Projekte ansonsten nicht erfolgreich umgesetzt werden können.
Auch muss es möglich sein, sichtbehindernde Einbauten im Straßenraum mit negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit aus potenziellen Shared Space-Bereichen bzw. Begegnungszonen zu entfernen. Ist dies nicht möglich, so ist der Straßenraum nicht für derartige Projekte geeignet.

Barrierefreiheit

Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes (BGG) aus dem Jahre 2002 und des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes (BremBGG) aus dem Jahre 2003 ist es, die "Benachteiligung[en] von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen". Die Barrierefreiheit öffentlicher Räume im umfassenden Sinn ist dabei eine zentrale Forderung. Zentrale Bereiche stellen für mobilitätseingeschränkte Menschen wichtige und bevorzugte Ziele dar (z.B. Dienstleister, Versorgung, Behörden). Auch in Bereichen von Shared Space und Begegnungszonen muss deshalb allen Verkehrsteilnehmern größtmögliche eigenständige Mobilität geboten werden.
Bei der Planung und Gestaltung derartiger Bereiche in Bremen ist bezüglich
der Barrierefreiheit folgenden Rechtsgrundlagen nachzukommen:
Nach § 10 Absatz 1 Satz 2 des Bremischen Landesstraßengesetzes (BremLStrG) besteht eine rechtliche Verpflichtung, die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen.
In § 8 Absatz 2 des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes (BremBGG) ist geregelt, dass sonstige bauliche oder andere Anlagen des Landes und der Stadtgemeinden, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten sind.
Ebenso ist die "Neufassung der Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen des öffentlichen Verkehrsraums, öffentlicher Grünanlagen und öffentlicher Spiel- und Sportstätten" zu beachten, in welcher die aufgeführten Anforderungen im Einzelnen konkretisiert werden.

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Kriterienkatalog zur Identifizierung geeigneter Bereiche für Shared Space und Begegnungszonen

Aus den Grundanforderungen an Shared Space und Begegnungszonen werden Beschreibungsgrößen für die Eignung von Straßenabschnitten in Bremen abgeleitet. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kriterienkatalog nach Abschluss der Modellvorhaben weiterentwickelt.
Die Einschätzung der Straßenräume im Hinblick auf die Eignung für Shared Space und Begegnungszonen erfolgt mit Hilfe des Kriterienkataloges. Die einzelnen Beispiele werden in den Einzelkriterien als "geeignet", "bedingt geeignet" und "ungeeignet" bewertet. Ferner erfolgt eine Gesamtbewertung des jeweiligen Straßenabschnitts.
Hierbei ist anzumerken, dass die Gesamtbewertung überwiegend eine qualitative Einschätzung vor dem Hintergrund der Bewertung der Einzelkriterien und kein in sich geschlossenes Bewertungsverfahren darstellt. Das bedeutet, dass beispielsweise trotz mehrerer Einzeleinschätzungen "bedingt geeignet" eine positive Gesamteinschätzung resultieren kann und auch ein mit "ungeeignet" bewertetes Einzelkriterium nicht zwangsläufig zu der Gesamtbewertung "ungeeignet" führen muss.

Bereich Städtebau

1. Gebietstyp/Nutzungssituation

Am besten eignen sich für Shared Space und Begegnungszonen zentrale Straßenräume in Misch- und Kerngebieten mit geschäftlicher Nutzung. Auch die Anwendung in Wohngebieten ist denkbar, wenn die erforderliche Zentralität gegeben ist. Bei Letzteren sind die klassischen Formen der Verkehrsberuhigung (z.B. Verkehrsberuhigter Bereich (Z 325 StVO) oder Tempo-30-Zone) grundsätzlich aber vorzuziehen.
Gewerbe- und Industriegebiete eignen sich hingegen nicht für Shared Space und Begegnungszonen.

2. Entwurfssituation

In Anlehnung an die "Typischen Entwurfssituationen" der RASt 06 sind in erster Linie Örtliche Geschäftsstraßen, Quartiersstraßen und Hauptgeschäftsstraßen für Shared Space und Begegnungszonen geeignet. Wohnwege, Anliegerstraßen, Verbindungsstraßen und vor allem Gewerbe- und Industriestraßen sind nicht für derartige Projekte geeignet.

3. Straßenräumliche Charakteristik

Platzartige Bereiche eignen sich grundsätzlich besser als lineare Straßenabschnitte, u.a. auch weil hier in der Regel ein erhöhter
Überquerungsbedarf im Fußgänger- und Radverkehr besteht. Zudem bieten platzartige Straßenräume größere Aufenthaltsflächen im Seitenraum und somit einen größeren Gestaltungsspielraum. Allerdings sollten Shared Space und Begegnungszonen auch nicht auf kleine Platzbereiche beschränkt bleiben, wenn die Nutzungsverflechtungen offensichtlich in den angrenzenden linearen Straßenraum ausstrahlen.
Gut geeignet sind Straßen bzw. Plätze, deren Randbebauung sich zum Raum hin öffnet, weil diese einen hohen Überquerungsbedarf signalisiert.

Bereich Verkehr

4. Netzfunktion

Hauptverkehrsstraßen mit überwiegender Verbindungsfunktion sind nicht zweckmäßig für Shared Space und Begegnungszonen. Hingegen eignen sich Hauptverkehrsstraßen mit gleichzeitiger Erschließungs- und Aufenthaltsfunktion, sofern geringe Geschwindigkeiten aus dem Netzzusammenhang akzeptabel sind.

5. Verkehrsstärke im Kfz-Verkehr

15.000 Kfz/24h (etwa 1.200 bis 1.500 Kfz/Spitzenstunde) sollen nicht überschritten werden. Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen pro Richtung eignen sich grundsätzlich nicht für Shared Space und Begegnungszonen.

6. Schwerverkehr

Straßen oder Plätze mit mehr als 50 Lkw/h (ab 3,5 t Gesamtgewicht) und häufigen Abbiegevorgängen von Lkw nach rechts sind aufgrund der möglichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit sowie der Aufenthaltsqualität für Shared Space und Begegnungszonen ungeeignet.

7. Fußgängerverkehr

Fußgänger müssen in dem Straßenabschnitt präsent sein und einen hohen Überquerungsbedarf haben, damit sich der Kfz-Verkehr in dem Straßenraum als Gast fühlt und eine geringe Geschwindigkeit plausibel ist.

8. Radverkehr

Radfahrer müssen – ebenso wie Fußgänger – in dem Bereich präsent sein und sollten ebenfalls einen hohen Überquerungsbedarf haben.

9. Straßenbahnverkehr

Streckenabschnitte mit besonderem Bahnkörper sind grundsätzlich nicht für Shared Space und Begegnungszonen geeignet (Ausnahme: Haltestellenbereiche). Shared Space und Begegnungszonen sollten sich auf platzartige Bereiche beschränken, deren Länge 100 bis 200 m nicht übersteigt. Die Kriterien Fahrzeit, Wirtschaftlichkeit des Betriebs sowie Fahrkomfort sind bei der Auswahl geeigneter Straßenräume zu berücksichtigen.

10. Linienbusverkehr

Bei Linienbusverkehr sollen Shared Space bzw. Begegnungszonen maximal eine Länge von 300 m haben. Haltestellenbereiche bieten sich besonders an, weil die Zentralität dort in der Regel hoch ist und ohnehin geringe Geschwindigkeiten gefahren werden. Analog zu Punkt 9 ist die Eignung eines Straßenraums für Shared Space bzw. Begegnungszonen auch hier anhand der Kriterien Fahrzeit, Wirtschaftlichkeit des Betriebs und Fahrkomfort zu prüfen.

11. Sichtverhältnisse und ruhender Verkehr

In Shared Space-Bereichen und Begegnungszonen müssen gute Sichtverhältnisse gegeben sein, damit die gegenseitige Kommunikation der Verkehrsteilnehmer uneingeschränkt möglich ist und damit Verkehrsteilnehmer, die an der gegenseitigen Kommunikation nicht partizipieren können (z.B. Blinde), rechtzeitig von anderen Verkehrsteilnehmern gesehen werden.
Bereiche, in denen die Parkraumnachfrage so hoch ist, dass sichtbehindernder ruhender Verkehr nicht weitgehend auf das Umfeld verlagert werden kann, sind für Shared Space und Begegnungszonen ungeeignet.

12. Verkehrsabwicklung und –kapazität

Knotenpunkte, die aktuell bereits Überlastungen zeigen, sind – sofern keine Änderung der Grundform des Knotenpunktes erfolgt – nicht für Shared Space und Begegnungszonen geeignet.
Darüber hinaus sollten derartige Projekte im Allgemeinen nur in Bereichen durchgeführt werden, in denen auf Lichtsignalanlagen verzichtet werden kann.

13. Verkehrssicherheit

Shared Space und Begegnungszonen sind bislang nicht zur Beseitigung von Unfallhäufungsstellen eingesetzt worden. Zahlreiche umgesetzte Projekte zeigen aber, dass die Verkehrssicherheit wegen geringer Geschwindigkeiten im Kraftfahrzeugverkehr und hoher gegenseitiger Rücksichtnahme groß ist. Ob sich ein Straßenabschnitt mit Unfallhäufungen für Shared Space und Begegnungszonen eignet, muss jedoch im Einzelfall geprüft werden.

Sonstiges

14. Länge des Bereiches

Die maximale Ausdehnung von Shared Space-Bereichen bzw. Begegnungszonen liegt grundsätzlich bei 800 m (Ausnahme: Bereiche mit Straßenbahn- und Linienbusführung – s. Ziffer 9 und 10). Von Kraftfahrzeugen sind die Bereiche somit bei einer Geschwindigkeit von 20-30 km/h in etwa 2 Minuten zu durchfahren.

15. Öffentliche Einrichtungen mit hohem Aufenthaltsanspruch

Bereiche, in denen sich Grundschulen, Seniorenheime oder ähnliche öffentliche Einrichtungen befinden, und die daher in einem besonderen Umfang von mobilitätseingeschränkten Personen oder Kindern genutzt werden, sollten in der Einführungsphase als Standorte für entsprechende Projekte ausgeschlossen werden. Es wird empfohlen, weitere Erfahrungen hinsichtlich dieser Einrichtungen und Shared Space bzw. Begegnungszonen abzuwarten.

16. Öffentliche Einrichtungen mit besonderem verkehrlichen Anspruch

Standorte, an denen öffentliche Einrichtungen mit besonderem verkehrlichen Anspruch, wie z.B. Feuerwehr, Polizei oder Krankenhaus, vorkommen, sind eher ungeeignet für Shared Space und Begegnungszonen, es sei denn, es gibt alternative Routen.

17. Temporäre Nutzungen mit hohem Verkehrsaufkommen

Temporäre Nutzungen mit hohem Verkehrsaufkommen (z.B. Wochenmarkt) schließen die Einrichtung von Shared Space und Begegnungszonen nicht aus, sofern eine sichere und leistungsfähige Verkehrsabwicklung gewährleistet ist.

18. Außengastronomie

Standorte mit Außengastronomie passen grundsätzlich gut in das Konzept von Shared Space und Begegnungszonen, weil sie Straßen bzw. Plätze beleben und der Kommunikation dienen. Es muss jedoch beachtet werden, dass sie einen gewissen Raumbedarf haben und nicht als Hindernisse – vor allem für mobilitätseingeschränkte Personen – wirken dürfen.