Sie sind hier:

Was sind „Kaisenhäuser“?

Wegen der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Wohnen in Kleingartenanlagen vorübergehend geduldet worden. Das besagt der „Kaisen-Erlass“ von Bürgermeister Wilhelm Kaisen aus dem Jahr 1945, eine Bremer Besonderheit. Dieser Erlass wurde schon 1949 wieder aufgehoben, wirkt aber bis heute nach.

Denn zunächst sollten nur die „echten“ Kaisenhausbewohner und ihre Kinder bei Wunsch in ihren Behelfsheimen wohnen bleiben, inzwischen sind immer wieder neue Stichtage vereinbart worden und neue Personengruppen dazugekommen. Stets lagen dabei zwei Wünsche im Widerstreit: Möglichst niemand soll gegen seinen Willen seine Wohnstatt verlassen müssen. Gleichzeitig soll nicht dauerhaft in unsicheren Gebäuden mit schlechter Erschließung gewohnt werden und die Kleingärten sollen sich nicht zu Substandard-Wohngebieten entwickeln. Das ist bis heute so geblieben, wie die aktuelle Situation zeigt.

Welche Regeln gelten in Bremen für den Umgang mit „Kaisenhäusern“

In einem Runden Tisch, unter Beteiligung der Politik, der Interessenvertreter der Kleingartenbewohner, des Landesverbandes der Gartenfreunde sowie der Verwaltung wurden in den Jahren 2000 bis 2002 folgende Eckpunkte neu festgelegt:
Grundsätzlich soll in Kleingartengebieten nicht gewohnt werden.
Deshalb werden die Gebiete weiterhin nach und nach durch die Bauaufsicht genauer untersucht und illegale Bauten zurückgebaut, Es werden aber mit Bewohnerinnen und Bewohnern Vereinbarungen über den Auszug und den Rückbau oder Abriss abgeschlossen. Hierbei übernimmt als Entgegenkommen gegenüber den Behelfsheimbewohnern der Steuerzahler die Abriss und Rückbaukosten, obwohl rechtlich der Eigentümer dazu verpflichtet wäre.
Um soziale Härten möglichst zu vermeiden, können bestimmten Personengruppen in ihren illegal errichteten Behelfsheimen wohnen bleiben („Auswohnberechtigung“).Eine solche Auswohnberechtigung erhalten zusätzlich zu den ursprünglichen „Kaisenauswohnern“, die vor dem Stichtag 17.08.1955 bereits in einem Kaisenhaus gewohnt haben:

  • Bewohnerinnen und Bewohner, die mindestens seit dem 28.05.1974 in ihrem derzeitigen Gebäude wohnen (sog. „Kudella-Auswohner“, benannt nach dem Moderator des Runden Tisches)
  • alle Bewohnerinnen und Bewohner, die vor dem 20.04.2004 zugezogen und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückbau älter als 65 Jahre sind
  • alle, denen wegen schwerer Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder erheblicher Behinderung ein Umzug nicht zugemutet werden kann.

Für sie alle gilt: Sie selber dürfen so lange dort wohnen, wie sie wollen. Sie dürfen das Behelfsheim aber nicht anderen zum Wohnen zur Verfügung stellen. Wenn sie selbst nicht mehr dort wohnen, wird das Gebäude auf Kosten des Steuerzahlers abgerissen oder zurückgebaut, um einen Weiterverkauf und eine erneute Wohnnutzung zu verhindern.

Warum drückt man nicht einfach ein Auge zu und duldet es, wenn Menschen in illegal errichteten Häusern wohnen?

Wohngebäude und Wohngebiete müssen bestimmte Standards erfüllen. Das gilt zum Beispiel für die geordnete Entsorgung von Müll und Abwasser, für den Brandschutz, die Zufahrtmöglichkeiten für Feuerwehr und Rettungsfahrzeuge oder die Qualität der Heizungsanlage. Damit soll sichergestellt werden, dass man dort gefahrlos wohnen kann und auch keine Gefahren für Mitmenschen und Umwelt von den Gebäuden und Anlagen ausgehen. All das ist bei illegal errichteten Wohnungen nicht gewährleistet.

Wenn Schwarzbauten geduldet werden besteht die Gefahr, dass Freiräume an den Stadträndern zugebaut werden, die eigentlich für Natur und Naherholung erhalten werden sollen. Auch können in Kleingartenanlagen dauerhaft provisorische Wohngebiete mit schlechten und gefährlichen Wohnbedingungen entstehen und so die kleingärtnerische Nutzung verdrängen.

Was ist im aktuell diskutierten Fall passiert?

Herr G. war Jahrzehnte nach dem Stichtag 28.5.1974 in ein illegales Behelfsheim gezogen und hat dort ständig gewohnt. Er hatte dies nicht nur gegenüber der Bauaufsicht erklärt, er hat sich auch mit erstem Wohnsitz dort angemeldet. So etwas darf die Bauaufsicht, die alle gleich behandeln muss, nicht dulden. Denn jeder, der in Kenntnis der Rechtslage auf eine Wohnnutzung in den Kleingartengebieten verzichtet, könnte sich sonst völlig zu Recht über diese Ungleichbehandlung beklagen. Alle Gespräche und Informationen, dass Herr G. dort nicht wohnen darf, haben ihn nicht umgestimmt. Eine Petition, die Herr G. an den Petitionsausschuss der Bürgerschaft gerichtet hat, wurde dort bereits im Januar 2008 abgelehnt. Die Auseinandersetzung hat sich auch wegen vieler gescheiterter Einigungsversuche jahrelang hingezogen. Am Ende war die Bauaufsicht wegen des Gleichheitsgebotes gezwungen, eine gültige Abrissverfügung auch durchzusetzen.